Die Waage und ich – zwischen Euphorie und Wahnsinn

Tag 52. Tag 12 der Eiweißshakephase.

Ich hab es endlich getan! Ich habe eine neue Waage bestellt.

Kein Schnick Schnack. Bis 180kg. In zeitlosem glas-metal Design mit LED Anzeige. Ich war zuhause schon sehr lange nicht mehr auf einer Waage. Da ich zwischenzeitlich mehr als 180kg wog, kapitulierte jedes handelsübliche Model vor meinem Gewicht und antwortete mit einem „ERR“ – wenn ich denn mal Mut fasste und mich drauf stellte.

Ja, die Letzte hat sogar danach ihren Geist aufgegeben. Ich nahm es der Waage natürlich nicht krumm, entsorgte sie allerdings trotzdem ohne Umwege und mit großer Genugtuung auf dem Recycling-Hof. Alex v. Waage 1-1.

Die guten Zeiten

Personenwaagen und ich – wir hatten schon immer ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis. Es gab eine Zeit, in der ich am liebsten den ganzen Tag auf ihr gestanden hätte um zu beobachten wie ich abnehme. Als ich 50kg abgenommen hatte, verband ich das Wiegen geradezu mit euphorischen Glücksgefühlen. Ich stellte mich drauf, einfach nur um die Zahl zu sehen und zu fotografieren. Jede Woche ein neues Waagen-Selfie mit einer freudig strahlenden Alex.  Und meine Güte, ich fühlte mich so gut. Als Gewinnerin, Super-Heldin! Die Disziplin in Person! Ich war 3-4 mal in der Woche beim Sport und spürte geradezu wie das Fett dahin schmolz und die Pfunde purzelten. Die Waage wurde mein bester digitaler Freund und wir verbrachten viel Zeit miteinander, bis…..! Ja, bis dann der Stillstand kam und etwas später der Bandscheibenvorfall.

Die schlechten Zeiten

Gedanklich war ich noch im Abnehmodus. Nur 200g? Das kann nicht sein! Und dann begann der lange Abstieg bzw. Anstieg, wenn man es so sehen möchte. Man versucht noch der steigenden Zahl auf der Digitalanzeige entgegen zu wirken. Das kann doch nicht sein! Anfangs läßt man beim Wiegen einfach immer mehr Kleidungsstücke weg. So ein Schlafanzug wiegt schon was, … und die Socken erst! 200g mehr oder weniger, das kann am Flughafen 20 EUR kosten. Wenn man dann irgendwann quasi nackt auf der Waage steht, beginnt die nächste Phase. Vorher nix trinken und essen. Zuerst morgens – und irgendwann weitet man das dann auf den Abend davor aus. Und als letzten Schritt, stellt man die Waage vor dem Wiegen einfach auf den weichen PVC Boden in der Küche. Nicht zugenommen? Gut, erstmal durchatmen und zur Belohnung einen Cheeseburger bei McDonalds. Dieser ganze Stress mit dem Selbstbetrug bleibt nicht ohne Folgen. Alle anderen halten dich noch für die Vorzeige-Abnehmheldin. „Jeder kann es schaffen, wenn er nur will!“ Du selbst natürlich weißt ganz genau was eigentlich abläuft. Der Tiefpunkt ist erreicht. Das schlechte Gewissen und ein Mix aus Gefühlen wie Enttäuschung, Traurigkeit, und dem Gefühl versagt zu haben gewinnen die Oberhand. Die Essstörung gewinnt die Oberhand. Ja, und dann stellt man sich einfach gar nicht mehr drauf , auf die Waage, und verbannt das Ding unter den Schrank, wo es in Ruhe einstauben kann. Ende.

Auf ein Neues….

Ich starte also jetzt einen nächsten Versuch mit uns beiden. Wir lassen die Vergangenheit hinter uns und konzentrieren uns auf die Zukunft. Eine leichtere Zukunft. Voller Vorfreude habe ich die Waage ausgepackt, nachdem ich sie nur 2 Tage zuvor bei Amazon bestellt hatte. Ich wußte, dass ich schon unter 180kg wiegen muss, da ich in der Klinik mit Kleidung schon 180kg gewogen hatte. Aufgeregt war ich trotzdem. Würde sie diesmal auch wieder den Geist aufgeben und mich im Stich lassen? Ich wollte diesen Moment unbedingt mit anderen teilen und wartete deshalb bis zum nächsten Tag um sie das erste Mal in Betrieb zu nehmen. Ich suchte den richtigen Platz aus, mit viel Licht, damit man beim Filmen auch was erkennen konnte. Diesen epischen Moment wollte ich unbedingt für die Menschheit festhalten. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für Alex. Mit klopfendem Herzen und laufender Kamera stellte ich mich drauf, und….. ja, und wog…. knapp 60kg weniger???? Hmm, großes Erstaunen meinerseits wich ungläubigem Stirnrunzeln. Vielleicht hätte ich die Waage nicht auf den Teppich stellen sollen? Danach testete ich jeden Raum in meiner Wohnung! JEDEN! Und überall wog ich was anderes! Wohnzimmer 121 kg, Bad 182 kg, Schlafzimmer 177 kg und Küche 172,9 kg. Grundsätzlich finde ich das ja toll! Je nach Gefühlslage wiege ich mich einfach in einem anderen Zimmer, aber im Sinne des Erfinders ist das sicher nicht.

waage.png

Letztendlich einigte ich mich auf den realistischsten Wert und entschied mich für das Schlafzimmer!
Zwischenzeitlich habe ich festgestellt, dass der Steinboden auf meinem Balkon zum Wiegen am besten geeignet ist. Zukünftig werd ich mich also einmal in der Woche in die Kälte stellen und durch meine Gefühlsausbrüche auch meine Nachbarschaft auf dem Laufenden halten. Damit wäre dann ebenfalls sichergestellt, dass ich nicht wieder täglich auf die Waage steige!

Wie geht´s richtig?

Kleine Anmerkung meinerseits. Wiegen sollte man sich grundsätzlich nur einmal in der Woche zur selben Zeit. Der Körper nimmt nicht stetig ab und das Gewicht schwankt innerhalb einer Woche. Man macht sich nur selbst verrückt und tägliche Gewichtskontrolle kann schnell in eine  Richtung gehen, die nicht gesund ist. Außerdem ist das Gewicht auf der Waage nur eine Zahl, ist eine Zahl, ist eine Zahl. Sie sagt nichts über den Gesundheitszustand, den genauen Anteil an Fettgewebe oder Muskelmasse aus!

Mein Fazit

Wir bestehen aus mehr als einer Zahl auf einer Waage, die je nachdem wo ich sie hinstelle aus mir einen stark adipösen oder einen weniger dicken Menschen macht. Ich werde mir diesmal nicht von einer Waage diktieren lassen, wie ich mich zu fühlen habe. Sicher ist es wichtig, dass ich das Gewicht im Auge behalte, aber ich werde nicht mehr alles davon abhängig machen. Mein Körper ist keine Maschine und auch ein Stillstand ist ab einem gewissen Gewicht normal.

Auf gute Zusammenarbeit, liebe Waage! Wie in jeder Beziehung wird es wohl mal rauf und runter gehen, aber zumindest ersparst Du Dir das Schicksal als Sondermüll auf dem Recyclinghof!

Kisses Eure

Alex

5 Comments on “Die Waage und ich – zwischen Euphorie und Wahnsinn”

  1. Ich kenn das auch mit den Böden….bei uns gehts auch nur auf Fliesen…Parkett macht gute 5 Kilo leichter 🙂
    Aber witzige Idee sich auf dem Balkon zu wiegen…stell mir das gerade vor *g
    Toi toi toi für die letzte Eiweiß-woche!

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  2. Alex du schaffst das
    Ja Steinboden ist immer noch am besten die Erfahrung hab auch ich gemacht.
    Bin Stolz auf Dich das Du das durchziehst
    Mach weiter so

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