Alex 2.0

Ich lass mal das Ding mit den Tagen post OP. Die 365 hab ich sowieso schon längst überschritten und bin immer noch auf dem Weg. Wie lange ist doch eigentlich auch egal.
Wie hat mich Daniel in der Sendung nochmal genannt, nachdem ich mal wieder weinend vor dem Spiegel stand. „Macht doch nix! Du bist jetzt eben Alex 2.0!“ Ich glaube, er wußte gar nicht wie recht er hat.
Ja, irgendwie war ich drauf vorbereitet, dass es nach der OP irgendwann dazu kommen kann, dass nicht nur der Kopf, sondern vor allem auch die Haut mit der Veränderung nicht so schnell klar kommt. Ja, war ich wirklich. Dachte ich!
Selbstliebe – ein endloses Thema
Wie lange habe ich mich, auch schon vor der OP, mit dem Thema Selbstliebe, Selbstakzeptanz und Eigenwahrnehmung beschäftigt!? Unzählige Bücher, Übungen, Tagebucheinträge, Blogbeiträge und Therapiestunden in denen ich an nichts anderem gearbeitet habe als meiner Einstellung zu mir selbst. Ich war/bin wirklich soweit, dass ich mich annehmen kann. Meistens… Wie jeder Mensch habe ich meine schlechten und guten Tage.
Auf dem Weg dahin, MICH wieder zu sehen, bin ich durch tiefe Tränentäler gewandert. Ich glaube, ungefähr 10 Monate post OP schlichen sich morgens Momente ein, in denen ich irritiert in den Spiegel blickte, weil ich das Gefühl hatte ein ganz anderer Mensch schaut mich da an. Man kann es sich glaube ich nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat. Noch krasser war es, wenn ich an Schaufenstern vorbeilief und kurz inne halten mußte, weil ich nicht glauben konnte, dass ich das bin. Eigentlich freut man sich, dass man auf einmal „normal“ ist. Zumindest wenn man Kleidung trägt. Und doch hat man sich 40 Jahre an sein Spiegelbild gewöhnt. Man kennt sich nur so. Pausbäckig, mit Doppelkinn. Mit einem dicken Bauch und Oberschenkeln. Mein dicker Körper war immer da. Als Schutz, als Ausrede… Wir hatten uns so eigentlich ganz gut miteinander arrangiert. Jetzt stellte sich auf einmal die Frage: Wer bin ich eigentlich ohne meine Schutzhülle?
Ich hab viel geweint, aber auch gewagt (für mein Gefühl). Mich langsam an meinen veränderten Körper heran getastet. Die Kleidung wurde immer figurbetonter. Immer bunter. Immer mutiger. Doch was blieb war die Haut. Die war da. Immer noch.
Foto By Antje Kröger www.antjekroeger.de
Vom Regen in die Traufe
Wie ein Relikt aus vergangener Zeit. Eine Erinnerung daran, was mein Körper und ich schon alles durchgemacht haben. „Wie ein Mahnmal“, dachte ich gerade. Wobei ich das so eigentlich gar nicht sehen will, denn auch meine „übergewichtige“ Zeit hatte seine Funktion. Wie bei jedem von uns.
Erst war ich dick, … und wollte mich lange Zeit nicht sehen, dann nahm ich mich an, verlor Gewicht und stand wieder vor dem Spiegel und hatte ein ähnliches Problem wie vorher. Ein Körper dessen Hülle mir vorkam wie ein zu groß gewordener Anzug.
Eigentlich ist doch alles gut – dachte ich
Eine Zeit lang sagte ich mir: Ich bin einfach dankbar, dass ich soviel abgenommen habe. Diese Chance bekommen nicht viele und ich habe sie genutzt. Ich darf ein normales Leben führen. Kann Dinge tun, die vorher einfach nicht möglich waren. Was will ich mehr? Ich komm schon klar mit der Haut. Auch damit, dass ich regelmäßig Entzündungen habe in der Bauchfalte. Bei anderen ist das viel schlimmer. Soviel in meinem Leben habe ich schon überstanden, dass schaffe ich auch noch. Ich bin stark.
Foto by Antje Kröger
Und dann stand ich bei Antje Kröger vor der Kamera. Bei Tageslicht. Nackt. Sowohl körperlich, als auch seelisch.
Lange hatte ich vorher darüber nachgedacht, wie weit ich gehen möchte. Wie intensiv möchte ich wirklich hinsehen?
Ganz oder gar nicht – entweder oder
Letztendlich war mir schnell klar, dass ich es entweder ganz oder gar nicht mache. Ehrlich gesagt kann ich nicht ganz genau sagen, warum ich mich für „ganz“ entschieden habe. Ein Bauchgefühl, denke ich. Die Sehnsucht danach mich „ganz“ zu fühlen und wahrzunehmen – auch wenn es am Anfang weh tut. Denn unser Körper ist unser Zuhause und ich möchte endlich nach hause kommen!
Dieser Tag. Dieses Shooting haben mich dem ein Stück näher gebracht. Ich hab mich aufgehoben, angenommen und sicher gefühlt bei Antje. Und es gab Momente, in denen ich ganz bei mir wahr. Wie man auf den Bildern sieht. Niemand der schockiert war, von meinem Anblick, wie ich befürchtet hatte. Nur Liebe im Raum. Ich bin so unendlich dankbar für diese Erfahrung und arbeite in jeder Sekunde daran, dass diese Momente häufiger werden.
EURE ALEX
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