Kleider machen Leute

Tag 98. 36 Tage post OP.

Falls ihr es noch nicht wußtet, ich bin dick. Immer noch – auch 36 Tage nach der OP! Kleidergrößen schrumpfen leider nicht von heute auf morgen. Eine allerdings, hab ich schon hinter mir gelassen – die 58. Und ich sag’s mit Liebe: Bye Bye, auf nimmer wiedersehen!

Mein Kleiderschrank

Ich hab meinen neuerlich verringerten Körperumfang zum Anlass genommen mal meinen Kleiderschrank etwas genauer zu betrachten. Ein kleines Abenteuer, wie sich herausstellte. 4 – 5 Kleidergrößen wild gemixt auf 2,5 Quadratmetern, die meine Zu- und Abnehmerfolge der letzten 10 Jahre dokumentieren. Schon in der ersten Schublade hab ich Oberteile gefunden, die ich seit 4 Jahren nicht mehr getragen habe. Was für ein freudiges Wiedersehen! Hatte ein bisschen was von „Familienzusammenführung“. Bei einigen konnte ich mich gar nicht daran erinnern, dass ich sie überhaupt besaß – noch INKLUSIVE Preisschild. Kennt ihr das, ihr findet im Sale ein Teil, dass ihr richtig toll findet, ist aber eine Nummer zu klein. Sofort setzt sich ein kleiner Motivations-Guru auf eure Schulter und brüllt euch ins Ohr, dass ihr doch sowieso abnehmen wolltet, ihr ALLES erreichen könnt, wenn ihr nur wollt und gerade DIESES Teil doch eine megamäßige Motivation wäre Pfunde zu verlieren. Nun ja, ca. 10% meines Kleiderschrankes bestehen aus derartigen Motivationskäufen, deren Preisschilder immer noch am Bügel baumeln.

Früher war alles …. irgendwie anders!

Mein dicker Körper und ich, wir verbringen schon recht viel Zeit miteinander. Ungefähr die letzten 25 Jahre. In dieser Zeit hat sich modetechnisch viel verändert. Damals gab es wenig Mode für ein junges Mädchen meiner Statur. Bei einer Größe über 46 sah es schon recht mau aus. Zur Auswahl standen da nur die konservativen Kaufhäuser, die auch genauso konservative Mode führten oder Ulla Popken, deren Zielgruppe eher bei 40 aufwärts lag. Als junges Mädchen konnte ich eine zeitlang noch in der Damenabteilung einkaufen, aber mal ehrlich: Welches junge Mädchen möchte schon gerne rumlaufen wie seine Mutter? (Sorry Mama!)

Kleidung aus dem Ausland zu bestellen – da kam niemand drauf. Außerdem war das teuer und viele Firmen in den USA oder des UK boten auch keinen Versand nach Deutschland an. Abgesehen davon, dass das Internet noch nicht so verbreitet war (Da muss ich jetzt mal ganz tief seufzen. Scheiße bin ich alt!) Mit dem zunehmenden Umfang der deutschen „Durchschnittsfrau“ wuchs auch der Umfang an Marken in Großen Größen. Ich kann mich noch erinnern, als ich völlig euphorisch das erste Mal eine H&M Filiale betreten habe um dort Kleidung zu kaufen – FÜR MICH! Normalerweise ging ich nur in die Filiale um mir neue Haargummis oder vielleicht mal günstige Socken zu kaufen. Aber ab jetzt gab es auch für mich eine Daseinsberechtigung in diesem Laden und ich quetschte mich durch die engen Gänge, vorbei an den 36/38 Größen, zu meiner Insel der Glückseligkeit – der H&M BiB-Abteilung! Auch hier waren die Schnitte anfangs nicht sonderlich innovativ und man hatte das Gefühl, dass auch H&M so gar keine Ahnung von Mode jenseits der Kleidergröße 42 hatte. Trotzdem war es ein Fortschritt und am liebsten hätte ich das Label fett gedruckt, für jeden sichtbar auf der Brust umher getragen. „Jaaahaa,… ich war bei H&M – und das passt mir!“

Große Kaufhausketten, wie zum Beispiel C&A zogen nach und riefen neue Labels oder Abteilungen mit  „junger“ Mode in großen Größen ins Leben. Die großen Versandhäuser entdeckten die „Plus Size“ Sparte für sich und etablierten nicht nur eigene Untersparten in ihren Katalogen und auf ihren Webseiten, sondern gründeten eigene Internetshops wie zum Beispiel Sheego oder Happy Size – spezialisiert auf den Verkauf großer Größen.

Mit den neuen Möglichkeiten und der Vielseitigkeit der Labels entwickelte sich auch die Kleidung weiter. Die Schnitte wurden figurbetonter und modischer und grenzten sich nach und nach immer mehr ab vom großmustrigen „Einheitssack“, der bis dahin die Kleiderständer dominiert hatte. Aus Skandinavien schwappte Zizzi nach Deutschland und eröffnete hier ihre ersten Filialen in Flensburg und Lübeck.  Ich kann mich noch dran erinnern wie wir 2011 den Laden in Lübeck quasi leer geshoppt haben!

Wenn die Bühne ruft… du aber nicht die passenden Outfits hast

Dick in der Öffentlichkeit – das war schon ein schweres Los! 2010 war es fast unmöglich für unsere Band (wir sind alle keine zarten Elfen) geeignete Bühnenoutfits zu bekommen. Alltagskleidung war inzwischen immer weniger das Problem, aber bühnentaugliche Kleidung mußte extra aus den USA bestellt werden. Der Supergau passierte gleich in der ersten Sendung, als die Kleider, die eigentlich als Outfit gedacht waren, im Zoll festhingen. Mit selbstgebastelter Lederweste und Pumphose wurde ich auf die Bühne komplimentiert. Das sah so grausam aus! Heute kann ich drüber lachen, aber was blieb den Stylisten auch anderes übrig? Die Kollegen von der Garderobe haben sogar extra Kleidung für uns geschneidert, die allerdings auch nicht immer sonderlich figur-schmeichelnd saß. Ich erinnere mich noch, wie uns Til Brönner mal als „Ferrero Rocher- Eier“ bezeichnete.

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Zum Glück lernten wir dann die Designerin Doris Megger kennen, die uns unserer Outfits zukünftig quasi auf den Leib schneiderte. Das was das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich in einem Outfit wirklich wunderschön gefühlt habe. Trotz meiner 170 kg.

Heute

In den letzten Jahren wurde es durch die EU und die zunehmende Globalisierung im Netz auch für ausländische Marken auf dem Deutschen Markt einfacher. Yours Clothing, Evans oder ASOS sind auf einmal erschwinglich. Navabi bietet inzwischen eine große Auswahl an Designerkleidung von über 100 Marken in allen Preiskategorien an. Und wer es etwas exklusiver mag, ist zum Beispiel bei Doris Megger oder Anna Scholz (es gibt auch günstige Modelle über die Kooperation mit Sheego) gut aufgehoben.

Das Ding mit den Größen

Ist Euch das auch schon mal passiert? Ihr geht in ein Geschäft und greift zu „eurer“ Größe. Auf dem Weg in die Umkleidekabine wundert ihr euch noch über den engen Schnitt, seid euch aber sicher, dass diese Größe ja passen muss. Vor dem Spiegel kommt dann die Ernüchterung. Zu klein. Und auch die nächste Größe passt irgendwie nicht. Völlig frustriert beschimpft ihr den Ganzkörperspiegel in der hemmungslos ausgeleuchteten Umkleidekabine. Als wäre es nicht schlimm genug, dass in deren Licht sowieso schon jeder Oberschenkel zur Kraterlandschaft mutiert, hängt ihr die Teile beschämt zurück an die Stange und verlasst mit leeren Händen und 10% weniger Selbstbewusstsein den Laden. „Scheiße, bin ich fett geworden!“

Diese extremen Schwankungen liegen nicht daran, dass ihr eine Kugel Eis zu viel gegessen habt. Nein, es liegt am Unterschied zwischen „Übergrößen/Große Größen“ und „Anschlussgrößen“.

Kollektionen von Marken, die in der Regel ab Größe 34/36 produzieren und noch oben hin eine größere Zahl an Kunden bedienen möchten, produzieren „Anschlussgrößen“, bzw „Inbetweenies“. Das heißt, die „Normalgrößen“ werden einfach nach oben hin weitergeführt. Eine Marke wie Ulla Popken z.B. , die von vorne herein auf größere Größen ausgerichtet ist, setzt mit der Skalierung ihre Größen allerdings etwas weiter oben an. Das heißt, eine 48/50 bei Ulla Popken ist von vornherein größer geschnitten als eine 48/50 bei z.B. Esprit. Das selbe gilt oft bei Abend- oder Brautkleidern.

Also,… zukünftig keinen Frust mehr in der Umkleidekabine, Ladies!

Zurück zu meinem Kleiderschrank

Nach meinem kleinen Ausflug in die Vergangenheit steh ich nun allerdings immer noch vor meinem überquellenden Kleiderschrank (eigentlich Kleiderschränken). Was mache ich denn jetzt damit?

Ok, warum nicht das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Wie wäre es mit einer Klamotten-Party! Als ich damals in meine Wohnung eingezogen bin, habe ich eine IKEA-Bettaufbau-Pizza-Party veranstaltet. Zu Dritt (zwei Freundinnen und ich) haben wir mein Bett aufgebaut. Das war lustig und das Bett steht immer noch! Diesmal werd ich zusammen mit meine besten Freundin die Klamotten durchgehen und nach Größen und IN, bzw. OUT sortieren. Dazu gibts Häppchen und Selleriestangen mit Quark-Dipp. Das wird lustig. Mal sehen, was alles bleiben darf und welche unentdeckten Schätze ich noch ausgrabe! Ich werde Euch auf jeden Fall berichten.

Kisses eure Alex

P.s. Werbung durch Markennennung

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