Auf den Hund gekommen – Wie Oscar mein Leben veränderte

Tag 114. 52 Tage Post OP

Da sitzt er nun vor mir, mit seinen riesigen Glubschaugen, bei denen sich ab und an eines der beiden dazu entscheidet einfach mal in eine andere Richtung zu schauen. Inzwischen kann ich seine Gesichtsausdrücke ganz gut einordnen. Ich dachte nie, dass man in der Mimik eines Hundes so viel erkennen kann, aber die Augen dieser kleinen Knutschkugel (oder wahlweise dieses Rollbratens, wenn er wieder irgendwas angestellt hat) sprechen einfach Bände.

Aller Anfang ist schwer

Dabei hatten wir keinen einfachen Start. Also besser, ICH hatte keinen einfachen Start. Monaten lang habe ich überlegt, ob ich wirklich mein Zuhause mit einem Hund teilen möchte. Nachdem ich mich dann dazu entschlossen hatte und alles abgeklärt war, ging es darum einen „passenden“ Hund zu finden.

Ich kann nicht sagen wieso, aber mein Herz hing immer schon an einem Mops – am liebsten in schwarz. Und irgendwann… eines Tages, schielte mich in den Kleinanzeigen Oscar an. Ich war schock verliebt. Er erfüllte eigentlich alle Kriterien, die ich mir an einem Hund wünschte und ich schrieb den Besitzer an. Anfangs war ich wohl etwas übereifrig und sprach ihm 2-3 Mal auf seinen AB, dass ich Oscar unbedingt sehen wolle und er ihn bloss nicht voher weggeben solle. Davor hatte ich die Erfahrung gemacht, dass bei anderen Anzeigen die Hunde innerhalb von 2 Tagen schon weg waren und ich überhaupt nicht mehr dazu kam sie persönlich zu sehen. Von ihm kam nur der verwunderte Satz: „Ähhh,… sie sind bisher die einzige, die sich überhaupt gemeldet hat! Sie können sich entspannen!“ Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Lange hatte ich überlegt auch einen Hund aus dem Tierheim oder aus der Rettung ein neues Zuhause zu geben, da ich allerdings nur 2 Wochen Urlaub und damit nur eine sehr kurze Eingewöhnungsphase für den Vierbeiner hatte, weil er danach mit ins Büro sollte, hatte ich mich dann doch dagegen entschieden.

Zwei Tage später bin ich mit einer Freundin nach Bremen gefahren und wir haben Oscar besucht. Gleich am Eingang  ist er uns entgegen gesprungen. Ich war ehrlich gesagt mit soviel Freude etwas überfordert. Während Corinna sich gleich in ihn verliebte und anfing ihn zu streicheln, war ich eher etwas zurückhaltend. Nach einem kurzen „Gassi gehen“ stand ich dann vor der Entscheidung. Mitnehmen oder doch einen Rückzieher machen und unverrichteter Dinge wieder heim fahren? Mir war bewußt was für eine Verantwortung ich von nun an tragen würde, und ich war immer noch am Zweifeln, ob ich das schaffe. Obwohl ich zuvor mit meiner Therapeutin darüber gesprochen hatte und diese mein Vorhaben voll unterstützte. „Frau Piskol, sie werden sich gut um einen Hund sorgen! Wenn, dann achten sie ja eher nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse!“ Also gut, nicht zu viel Nachdenken, dachte ich, gab mir einen Ruck und nahm Oscar mit. Der kleine lag hinten auf meinem Rücksitz, neben seinem Körbchen und seinen ganzen Spielsachen und harrte der Dinge die da kommen sollten. Bei den Vorbesitzern floßen die Tränen.

5 Monate war der kleine alt. Zum Glück schon stubenrein, was am ersten Tag im neuen Zuhause allerdings noch nicht zu spüren war. Vor Aufregung hat er mir erstmal ins Wohnzimmer und auf den Badteppich gekackt. Das fängt ja gut an, dachte ich. Die folgenden zwei Wochen waren echt schwer für mich. Nicht weil Oscar so kompliziert gewesen wäre. Nein, weil ich einfach überfordert war. Ich war es nicht mehr gewohnt regelmäßig raus zu gehen. Mich um jemand anderen zu kümmern. Es gab Momente da sass ich weinend auf dem Sofa und war unzufrieden mit mir als Neu-Hundemama. Dann allerdings setzte sich Oscar neben mich, schaute mich mit seinen riesigen Augen fragend an, legte sich an meine Seite und seinen Kopf auf meinen Oberschenkel. Einfach unbezahlbar! Auch mit seiner Nähe und dem unbändigen Kuschelbedürfnis war ich anfangs überfordert. Ich kannte das nicht. Noch heute sind Oscar und ich in einem Bett keine gute Kombination. Abgesehen davon, dass er sich neben mir breit macht, als würde IHM das Bett gehören und ich mich am Ende auf dem letzten Drittel bis zur Bettkante quetsche, schnarcht er lauter als alle meine Ex-Freunde zusammen!

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Oscar der Herzensbrecher

Mit der Zeit lief es immer besser. Im Büro entpuppte sich Oscar als Herzensbrecher. Zu jedem freundlich und aufgeschlossen und selbst die Teilnehmer, die teilweise Angst vor Hunden hatten, fingen an ihn zu streicheln und mit ihm zu spielen. Es ist faszinierend, wie sich der Gesichtsausdruck eines Menschen auf einmal entspannt, wenn er sich mit einem Hund beschäftigt. Die härteste Nuss mußte er bei meiner Oma knacken. Die war anfangs gar nicht begeistert, als sie hörte, dass ich einen Hund habe. Das würde ja soviel Geld kosten und die ganze Verantwortung. Die erste Begegnung der beiden fiel auf meiner Omas Seite etwas unterkühlt aus. „Er sei ja schon ziemlich häßlich“, meinte sie. Zwei Stunden später allerdings bemerkte ich, wie sie rein zufällig, so nebenbei, ein kleines Stück ihres Leberwurstbrotes aus der Hand gleiten lies und Oscar kauend unter dem Tisch verschwand. Inzwischen kommen die beiden gut klar miteinander. Letztens meinte sie: „Also vielleicht war das doch keine so schlechte Idee mit Oscar,.. aber häßlich ist er immernoch!“

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Oscar der Herzensretter

Es gibt einen Schlüsselmoment, in dem Oscar mein Leben wirklich von jetzt auf gleich verändert hat.

Durch meine Therapie waren, trotz meiner Depressionen, meine Essanfälle schon wesentlich seltener und weniger exzessiv als noch ein Jahr zuvor. Trotzdem hatte ich immer mal wieder einen Rückfall und versuchte negative Gefühle, wie Scham oder auch die Unzufriedenheit mit meinem Leben und Stress mit Essen zu kompensieren. Eines Tages, ich weiß gar nicht mehr genau was der Auslöser war, hatte ich mich wieder bei einem großen Fast Food Restaurant mit Essen eingedeckt. Ich hatte es nicht mehr geschafft, wie so oft vorher, die Notbremse zu ziehen und sass nun auf der Couch mit den zwei prall gefüllten Tüten vor mir. Ich nahm den ersten Burger in die Hand und biß hinein. Beim 2. Burger setzte sich Oscar auf einmal direkt vor mich und starrte mich an, als wolle er mich fragen, was ich denn da überhaupt mache! (Die plausiblere Theorie wäre wahrscheinlich, dass er einfach das Fleisch und das Fett roch und die Hoffnung hatte bei mir einen Bissen abzustauben. Ich finde die Variante mit dem fragenden Blick aber irgendwie charmanter!) Auch beim 3. Burger lies sein Blick nicht von mir ab. Bei Nummer 4 und nachdem ich wirklich voll war, setzte mein Verstand wieder ein. Normalerweise hätte ich mich im Anschluss übergeben – wie schon so oft die letzten Jahre davor. Ich wollte um keinen Preis noch mehr zunehmen. Diesmal allerdings, konnte ich es nicht. Es ging einfach nicht! Das Essen hatte schon keine richtige Befriedigung mehr gebracht und mich jetzt vor meinem Hund zu übergeben? Nee!

Ich habe mich nie wieder übergeben und nie wieder einen Essanfall gehabt, seitdem.

Das Warum

Natürlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht, warum ich damit so plötzlich aufgehört habe und bin für mich zu einer Erklärung gekommen, die mir logisch erscheint.

Ein Merkmal einer Essstörung ist, dass sie verheimlicht wird. Ich habe sehr lange niemandem davon erzählt. In der Öffentlichkeit habe ich nie so viel gegessen, und wenn ich mal beim Brunch das Gefühl hatte, es war zu viel, bin ich kurz unter einem Vorwand auf die Toilette verschwunden. Als junges Mädchen habe ich die Reste meiner Exzesse immer unter dem Bett versteckt. Selbst als meine Mutter diese mal gefunden hat, habe ich standhaft abgestritten, dass ich das gewesen sei.  Mit Oscar, der auf einmal da war, fiel diese Heimlichkeit weg, und es hat mir geholfen die Kontrolle über mein Handeln zu behalten. In gewisser Weise verdanke ich ihm mein Leben. Wer weiß, wie es mir heute gehen würde, wenn ich damals nicht den Absprung geschafft hätte.

Warum ich ihn so liebe

Oscar hat in vielerlei Hinsicht mein Leben verändert. Ich lache mehr, liebe es mit ihm auf der Couch zu kuscheln, bewege mich mehr, bin offener anderen Menschen gegenüber. Ich lebe einfach MEHR! Einzig das mit der Flirthilfe hat irgendwie bisher nicht sonderlich gut funktioniert. In der Regel stehen eher kleine Kinder oder ältere Damen auf die Knautschnase!

Er hat mein Herz im Sturm erobert und ich bin so dankbar ihn bei mir zu haben. Ich liebe es, wenn er mir meinen Schuh bringt, wenn er Gassi gehen möchte (leider bringt er den 2. noch nicht, da müssen wir noch üben), sein zufriedenes Grunzen, wenn ich ihn hinter den Ohren kraule, sein leises Schmatzen im Schlaf und seine 5 Minuten, wenn er wie wild durch die Wohnung tobt.

Auf noch viele weitere schöne Jahr… und irgendwann gewöhn ich mich vielleicht auch an das Schnarchen…

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Kisses Eure Alex

5 Comments on “Auf den Hund gekommen – Wie Oscar mein Leben veränderte”

  1. Ich liebe deine Berichte und ich geh konform mit dir 🙂 Hab so ziemlich das Gleiche in dreifacher Katzenform mitgemacht… mein Divas sind mein ein und alles! Und sie „retten“mich heute noch oft!!!
    GLG, einen Drücker für dich und einen dicken Schmatzer auf die Hundeschnauze
    Pia

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  2. …und wieder kullern Tränchen vor Rührung
    Tiere sind eben die besseren Menschen und Begleiter und nur wer diese Erfahrung selbst machen durfte, weiss wovon du schreibst ❤

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