Alex und die digitalisierte Liebe

Tag 145. 82 Tage post OP.

Ich hab mir eine Weile überlegt, wie ich dieses Thema angehen will. Möchte ich eher witzig über die Liebe schreiben oder doch eher ernst. Denn Enttäuschungen gab es in meiner Historie nun auch zuhauf. Oft waren Situationen wenig amüsant und entwickelten sich erst ein paar Tage (manchmal auch Jahre) später zum Brüller in jeder Mädelsrunde. Obwohl ich mir Männer emotional bisher immer schön auf Distanz gehalten habe, bin ich doch gewissermaßen irgendwie „Expertin“ in Sachen – Suche nach Mr. Right.

Oft mache ich, bevor ich einen Blogbeitrag schreibe, sowas wie eine Stoffsammlung zum Thema. Diesmal umfasste diese „Stoffsammlung“ gefühlt 100 Seiten und ich könnte mindestens 2 weitere Blogbeiträge zu diesem Thema verfassen.

Der Anfang

Früher war ich viel auf Online-Portalen unterwegs. Mit „früher“ meine ich so zwischen meinem 21. und 33. Lebensjahr. Anfang 20 war ich das erste Mal in einem Chatroom angemeldet.  Manch einer kennt das noch von damals. Keine Bilder, nur geschriebenes Wort hinter dem man sich so schön verstecken konnte.

Mein erstes Date hatte ich zusammen mit einer Freundin. In Frankfurt. Heute würde ich sagen, ein Vollpfosten der Typ! Eigentlich sollte ich das Date sein, am Ende fragte er meine Freundin nach ihrer Nummer. Unschön,… und obwohl der Typ echt so überhaupt nicht mein Fall war – ein Knacks fürs Selbstbewusstsein. Ab da datete ich nur noch alleine und meine erste große „vermeintliche“ Online-Liebe ließ nicht lange auf sich warten. Zugegeben, heute weiß ich noch nicht mal mehr seinen Namen. Ich erinnere mich nur noch, dass ich extra aus Würzburg nach Göttingen gefahren bin, um „meine große Liebe“, DEN EINEN, zu treffen. Obwohl ich ihn noch nie gesehen hatte (irgendwie konnte er angeblich keine Fotos verschicken) und er mir am Telefon teilweise etwas seltsam vorkam (wohnte mit 27 noch bei seinen Eltern und mußte fluchtartig auflegen, wenn diese nach Hause kamen), habe ich mir so sehr gewünscht, dass dieser Mann mein Märchenprinz ist. Das Bauchgefühl, das eigentlich was anderes sagte, ja gerade zu SCHRIE, ignorierte ich einfach. Dass ich mal besser darauf gehört hätte erkannte ich schlagartig, als ich dann eines Tages auf die Kreuzung zufuhr an der er auf mich wartete. Am liebsten wäre ich wieder umgedreht als ich ihn an der Strassenecke erkannte. „Ok“, dachte ich mir, „nicht dein Typ, aber hey, …Alex! Sei nicht so oberflächlich!“ Am Ende wurde es das Date des Grauens. Der arme Kerl war so aufgeregt, dass er vergessen hatte, wo sein Auto stand und wir schon kurz davor waren die Polizei wegen Diebstahls zu benachrichtigen. Zum Glück fiel ihm noch rechtzeitig ein, dass er es ein paar Minuten zuvor umgeparkt hatte. Besonders peinlich wurde es im asiatischen Restaurant, als er versuchte mir verliebt in die Augen zu schauen. Wer mich kennt weiß, dass ich nicht gerade ein Pokerface besitze und mein Gesicht ein offenes Buch für sämtliche Gefühlsregungen meinerseits ist. Dementsprechend verschanzte ich mich hinter der Speisekarte. Ich verfluchte den Kellner, als er mir diese nach der Bestellung quasi aus den Händen riss! Am Ende des Abends reihte auch ich mich in die lange Schlange der Frauen ein, die sich mit der berühmt-berüchtigten „Kopfschmerz“ – Ausrede einer unangenehmen Dating Erfahrung entziehen. Am nächsten Tag fragte er mich, ob ich meinen Eltern schon von uns erzählt hätte. Dann folgte die erste Abfuhr meinen Lebens… von meiner Seite. Schade, dass es noch kein WhatsApp gab!

Man muss viele Frösche küssen …

Meine Erfahrungen sind wirklich vielseitig. Im Nachhinein waren viele auch sehr lustig. Typen, die beim ersten Treffen gleich mit äußerst eigenartigen Vorlieben um die Ecke kamen. „Trägst du Nylonstrümpfe?“, „Was denkst du über Erwachsenenwindeln?“, „Stört es dich, dass ich Ganzkörper rasiert bin?“. Ein etwas ältere Herr begrüßte mich mich mal als ich im Restaurant auf mein Date wartete. Im ersten Moment dachte ich, das müsse der Vater meiner Verabredung sein, da er mindestens 10-15 Jahre älter aussah als auf dem Foto. Auch nach einer angeregten Diskussion blieb er den Rest des Abends bei der Behauptung er sei erst 30 Jahre alt, obwohl seine Haut und so ziemlich alles an ihm für etwas anderes sprachen.  Ich sag Euch, es gibt nichts, was es nicht gibt. Sei es die großen Karabinerhaken über dem Bett, die ich beim ersten Besuch zuhause entdeckte oder die 10 Vogelspinnen im Arbeitszimmer (Ich habe übrigens eine Spinnenphobie). Sehr lustig auch die 50teilige VHS-Pornosammlung, die voller Stolz offen im Wohnzimmer zur Schau gestellt wurde (meistgesehen: Abspritzen im Zillertal). Besonders in Erinnerung blieb mir der Mann vom SEK. Toll war der. Nachdem er mir wie auf einer Landkarte jede einzelne seiner Narben und deren Ursprung erklärt hatte („Da hab ich mich von einer Häuserwand aus dem 12. Stock abgeseilt…“) verbrachte ich die erste Nacht in einem Wasserbett. Wahnsinnig hoher Seegang das Teil. Ich war kein Kind von Traurigkeit und könnte wohl mit meinen Geschichten ein abendfüllendes Comedy-Programm auf die Beine stellen, allerdings …auch ich war nicht immer ganz so aufrichtig.

Schummeln hier – schummeln da

Oft hab ich mich schlanker gemacht als ich war. Einfach um das Gefühl zu haben, dass ich eine „ganz normale“ hübsche Frau bin, die nicht aus dem Rahmen fällt. Flirten konnte ich im Chat und am Telefon weltmeisterlich und verdrehte Männern den Kopf. Nur wenn es dann ernst wurde und derjenige mich unbedingt treffen wollte, wurde es kompliziert. Entweder brach ich dann den Kontakt ab, oder ich „beichtete“ meine Schummelei. Hing auch ein wenig davon ab, wie doll ich dann schon mein Gegenüber mochte. Das Dumme war ja, dass ich auch irgendwann Gefühle entwickelte. Aber ich war immer schon so weit in der Geschichte drinnen, dass ich nicht mehr zurück konnte. Hop oder Top hieß es dann. Sehr oft haben sich die Männer trotzdem mit mir getroffen und der Abend endete in einem netten Date. Viele waren aber schon enttäuscht, was natürlich wieder Futter für meine Selbstzweifel lieferte. Eigentlich bescheuert, da ich natürlich selber Schuld dran hatte und nicht alle Männer gleich oberflächlich sein müssen, nur weil sie nicht auf eine dicke Frau stehen. Ein paar Male allerdings, ging es für mich auch nicht so gut aus. Einmal war ein ganzes Wochenende mit einem Date geplant. Er wußte auch, dass ich dick bin. Als er mich vom Bahnhof abgeholt hatte und wir auf dem Weg zum Hotel waren, meinte er auf einmal, dass er das nicht könnte. Er käme mit meinem Gewicht nicht klar. Da ist etwas zerbrochen in mir und das nicht zum ersten Mal. Leider fiel ihm das so spät ein, dass inzwischen kein Zug mehr nach Hause ging. Völlig aufgelöst sass ich am Bahnhof. Nachts um 2 Uhr. Ich hatte ihn weggeschickt und zum Teufel gejagt. Tränen der Wut und Enttäuschung rannen über meine Wangen und selbst Taxifahrer kamen auf mich zu und fragten mich, ob sie etwas für mich tun könnten. Einer gab mir sogar einen Kaffee aus. Letztendlich habe ich alleine im Hotel eingecheckt und mich dort in den Schlaf geweint. Am nächsten Tag sah die Welt dann schon wieder besser aus.

Neuer Versuch

Here we go again. Da bin ich also wieder, die Dating-Expertin unterwegs – nach einer langen Abstinenzphase. Diesmal gehe ich die ganze Sache ziemlich entspannt an. Nach nun mehr 3 Wochen im Online-Dating Zirkus muss ich feststellen, die Manege hat ihren Zauber verloren. Von meinen gefühlten 100 Nachrichten habe ich 80 noch nicht gelesen. Ist mir irgendwie zu anstrengend! Und nachdem mich ein Typ mit den Worten „Ich sei doch eine arrogante Zicke!“ gesperrt hat, weil ich nicht JUST innerhalb von 2 Tagen auf seine 2 Nachrichten geantwortet habe, hab ich schon wieder die Lust verloren.  Alles anstrengend irgendwie, ich wiederhole mich. Auch Komplimente wie „Boah, hast du geile Lippen“ oder ein halber Heiratsantrag („Ich möchte jeden Morgen mit einem Blick in deine wundervollen Augen aufwachen“)  locken mich nicht hinter dem Ofen hervor.

Das echte Leben

Ich denke, alles hat seine Zeit. Und meine Zeit auf Online-Portalen ist irgendwie durch. Ich möchte im richtigen Leben meinem Mr. Right über den Weg laufen und nicht online und mit einem Klick darüber urteilen, ob jemand äußerlich in mein Leben passt.

Mission „Real life“ steht in den Startlöchern!

Kisses Eure Alex

P.s. Für alle interessierten Männer: Ihr findet mich im EDEKA Wandsbeker Chaussee (Werbung) in der Regel dienstags von 10:00 Uhr – 10:30 Uhr oder samstags zwischen 9:00 Uhr – 10:00 Uhr. Ich bin die mit der Molkerei-Abteilung im Einkaufswagen und der rosa-roten Brille im Haar.

2 Comments on “Alex und die digitalisierte Liebe”

  1. Herrlich charmant zu lesen, dass man nicht alleine ist mit solchen „Problemen“. Deine Art zu schreiben gefällt mir sehr 👍 weiter so und viel Erfolg.

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